Wie wir mit dem Tod umgehen

23.01.2020

“Halte es für möglich, dass dein Arzt beim Thema Tod noch mehr Angst hat als du.”

Ein Satz, der überrascht. Und er hat ihn gesagt: Matthias Gockel, Jahrgang 1970, Internist und Palliativmediziner aus Berlin. Er gehört zu den 100 dienstältesten Palliativmedizinern Deutschlands und betreut seit fast 20 Jahren Menschen, die ihrem Lebensende entgegenblicken. Dabei erlebt er, dass Verdrängen und Verschweigen einem bewussten Umgang mit dem Tod im Weg stehen und dass es wichtig ist, selbst zu entscheiden, wenn es um die Frage geht, wie wir sterben wollen. Und er weiß, dass nicht nur die Patienten selbst Angst vor dem Tod haben, sondern auch die behandelnden Ärzte. Bei den 3. Brunecker Krebsgesprächen wird Gockel erzählen, warum es sich lohnt, über den Tod nachzudenken. 

Herr Gockel, müssen wir über den Tod sprechen?

Matthias Gockel: Nein, das müssen wir nicht. Aber es nicht zu tun hat einen Preis. Zum einen beschäftigt das Thema der eigenen Sterblichkeit die meisten Menschen im Hintergrund auch dann, wenn man nicht darüber spricht. Zum anderen leben wir heute in einer Zeit, in der der Tod oft eine Folge des Verzichts oder der Beendigung medizinischer Behandlung ist, als aufgrund der Tatsache, dass es gar keine Behandlung gibt. Spreche ich nicht darüber, weiß niemand, was meine Gedanken und Wünsche dazu sind. Also kann es passieren, dass Dinge geschehen, die ich nicht will. Und meine Erfahrung ist auch, dass Gespräche über dieses Tabuthema oft verbindet und Nähe schafft.

 Wovor haben Sterbende am meisten Angst?

Ich glaube, das sind verschiedene Dinge. Einerseits die Angst vor dem Sterben, die Angst vor dem Tod und die Angst vor dem Nicht-mehr-Leben. Verkürzt: die Angst vor dem Leiden, die Angst vor dem Unbekannten und die Angst vor dem Verlust. Bei vielen Menschen ist es vor allem die Angst vor dem Leiden, aber das gilt nicht allgemein, ich habe auch Menschen getroffen, bei denen die Angst vor dem Unbekannten viel größer war.

 Wozu braucht es die Palliativmedizin?

Ich glaube, dass jeder Mensch sich einen friedlichen, schmerzfreien Tod wünscht (wenn er akzeptiert hat, dass sich dieser nicht vermeiden lässt). Leider scheint dies für die Natur und Evolution keine große Bedeutung zu haben, sodass es viele Erkrankungen gibt, die Leiden erzeugen können. Aufgabe der Palliativmedizin ist an erster Stelle, dieses Leiden zu lindern, aber auch zukünftiges zu vermeiden, vorausschauend zu planen. Wenn das gelingt, schafft es im Idealfall auch den Rahmen, sich mit den anderen beiden Fragen, die viel Angst auslösen, zu beschäftigen: Was will ich hinterlassen, nicht nur materiell und kann ich vielleicht einen Frieden mit dem Unbekannten machen?

 

 

Kommentare sind geschlossen.