Sonne ja, aber richtig

17.07.2019

Sommerzeit ist Sonnenzeit – und gerade deshalb der richtige Zeitpunkt, um über ein wichtiges Thema zu sprechen. Denn Südtirol weist die höchste Hautkrebs-Rate in Europa auf. Das ist das Fazit einer Interreg-Studie, die vor Kurzem vorgestellt wurde. Im Interview erklärt Klaus Eisendle, Primar für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Krankenhaus Bozen, warum wir Südtiroler besonders anfällig sind und wie sich jeder Einzelne im Grunde ganz einfach gegen die schädliche Strahlung schützen kann 

 

Wie oft beobachten Sie am Strand oder in den Bergen Situationen, wo Sie als Hautarzt nur den Kopf schütteln können?

Sehr oft. Ich sehe immer noch viel zu viele Menschen, die nur mit einer Schwimmhose bekleidet in der starken Sonne braten, bis sie krebsrot sind. Und zwar nicht nur irgendwo am Strand, auch hierzulande in den Schwimmbädern oder an den Seen. Die Regel, die Sonne in den Mittagsstunden von 11 bis 15 Uhr komplett zu meiden, hat sich leider bei vielen noch nicht durchgesetzt.  

Gerade haben Sie mit anderen Experten eine durch die EU finanzierte Interreg-Studie vorgestellt: Demnach weist Südtirol die höchste Hautkrebs-Quote in Europa auf. Experten erklären das mit der Höhe des Landes und dem Hang vieler Südtiroler, sich häufig draußen aufzuhalten. Hängt es auch damit zusammen, dass wir jede kleinste Probe einschicken und untersuchen?

Beides ist der Fall. Jedes Muttermal, das im Krankenhaus herausgeschnitten wird, wird eingeschickt und untersucht. Das erhöht natürlich auch die Trefferquote und ist andernorts nicht immer der Fall. Auch in Nordtirol ist die Hauttumor-Quote hoch: Bei den invasiven Melanomen ist sie dort höher, Südtirol dagegen “führt” bei den dünneren Melanomen. Und die Schweiz hat auch eine Studie gemacht, und dort sind die Zahlen gleich hoch. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir es bedingt durch die Höhe mit einem Problem im ganzen Alpenraum zu tun haben. Dazu kommt, dass wir Südtiroler in der Regel einen hellen Hauttyp haben. Eines darf man auch nicht vergessen: Die Lebenserwartung in der Schweiz, Nordtirol und Südtirol ist mit die höchste der Welt, auch das erhöht natürlich die Quote. 

Gibt es eine Empfehlung, ab wann und wie oft jemand ein Hautscreening durch einen Facharzt machen sollte?

Eine Sensibilisierung zu dem Thema ist auf jeden Fall gegeben, das sieht man ja auch an den Wartezeiten. Viele möchten sich zum Beispiel vor dem Urlaub noch einmal anschauen lassen. Eine generelle Empfehlung wie in Deutschland, dort ist das Hautscreening durch die gesetzliche Krankenkasse ab 35 Jahren alle zwei Jahre gedeckt, gibt es hierzulande nicht. Ich halte das auch nicht unbedingt für erstrebenswert. Denn Ganzkörperscreenings sind nicht nur sehr aufwändig, sie bieten auch keinen hundertprozentigen Schutz. Gefährliche Melanome wachsen so schnell, da nützt es nichts, sich alle zwei Jahre kontrollieren zu lassen, weil der Tumor in der Zwischenzeit entstehen kann. Am Ende gilt: Prävention ist der beste Schutz! Die Leute sollen sensibilisiert werden, sich einzucremen, Kleidung zu tragen und eine Sonnenbrille aufzusetzen. Oder mit anderen Worten: Hut, Hemd, Hose und hoher Lichtschutzfaktor. Die Vier-H-Regel merkt man sich vielleicht leichter. Ganz wichtig ist der Schutz für Kinder. Da geht nichts unter Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50. Sind sie nicht geschützt, rächt sich das im Alter, was wir im Moment in der Gruppe der Vierzig- bis Fünfzigjährigen beobachten. Auch Erwachsene sollten keinen Sonnenschutz unter 30 verwenden. 

Die Berichterstattung über die hohe Hautkrebs-Inzidenz in Südtirol verunsichert viele Menschen; auch, weil unsere Haut die Sonne braucht, um Vitamine herzustellen. Was ist der richtige Mittelweg? 

Es besteht kein Grund zur Angst, aber wir müssen lernen, intelligent mit der Sonne umzugehen. Jeder sollte hinaus in die Natur, Sport machen, sich bewegen – aber bitte nicht ohne Schutz, sei es durch Kleidung oder Sonnencreme, in der prallen Sonne herumlaufen. Für die so wichtige Vitamin-D-Produktion reichen die Sonnenstrahlen, die man so abbekommt. Denn niemand schützt sich permanent zu 100 Prozent. 

Trotz der hohen Quote gibt es gute Nachrichten: Hautkrebs ist heute relativ gut behandelbar. 

90 Prozent der Melanome, die wir sehen, machen keine großen Probleme mehr. Bei den anderen Tumoren ist es ähnlich. Wir haben sehr viel mit weißem Hautkrebs zu tun, etwa 5000 Fälle treten jährlich alleine in der Abteilung in Bozen auf. Bei Melanomen ist ein Problem, dass man sie nur schwer erkennen kann. Andere Hautkrebs-Formen sind weniger problematisch, weil für den Laien besser zu verstehen ist, wenn sich etwas verändert. Wer eine Veränderung entdeckt, sollte immer einen Arzt aufsuchen.  

Gilt die so genannte ABCDE-Regel bei Melanomen noch?

Ja. Dabei steht jeder Buchstabe für einen Parameter, nach dem die Haut untersucht werden sollte: Es sind dies Asymmetrie, Begrenzung, Colour, Durchmesser und Erhabenheit. Wenn sich ein Muttermal verändert, vor allem wenn es wächst und zum Beispiel ausfranst oder juckt, sollte ein Arzt aufgesucht werden.  

Sonnenbrände erhöhen erwiesenermaßen das Risiko. Was tun, wenn es doch einmal passiert?

Es gibt heute gute Doposole-Cremes, die zur Linderung auf die betroffene Stelle aufgetragen werden können. Und ansonsten: Vitamin-C und Aspirin gegen die Entzündung. 

Gibt es besonders gefährdete Berufsgruppen?

Ja, sicher. Für manche ist der weiße Hautkrebs als Berufskrankheit anerkannt worden. Dachdecker, Straßenarbeiter und Bauern zum Beispiel, also jene, die sich berufsmäßig viel im Freien aufhalten. Da sehen wir natürlich sehr viele Fälle, vor allem an weißem Hautkrebs. 

Gibt es Länder, die besser mit der Gefahr umgehen?

Wir sollten die Australier als Vorbild nehmen. Australien hat die höchste Hautkrebs-Rate der Welt. Dort sieht man am Strand kein Kind mehr im Badeanzug, alle tragen einen UV-Schutzanzug am ganzen Körper und Sonnencreme mit Schutzfaktor unter 30 ist gesetzlich verboten. 

 

Gut zu wissen: 

Unter dem Begriff Hautkrebs verstehen wir verschiedene Erkrankungen der Haut, darunter den so genannten schwarzen und weißen Hautkrebs. Zu letzterem zählen unter anderem das Plattenepithelkarzinom und das Basalzellenkarzinom und eine Reihe weiterer sehr seltener Formen. Grundsätzlich gilt: Wird Hautkrebs früh erkannt, bestehen sehr hohe Heilungschancen. 

  • Malignes Melanom (“schwarzer Hautkrebs”) ist die bösartigste Form von Hautkrebs, die vorwiegend durch zu hohe UV-Strahlung ausgelöst wird und bei Männern vor allem am Rücken, bei Frauen vorwiegend an den Beinen auftritt. Die frühzeitige Entfernung des Tumors ist entscheidend für die Prognose. Erschwerend: Die Melanome können schon bei geringer Größe und ohne Beschwerden zu verursachen Metastasen entwickeln 
  • Das Basalzellenkarzinom ist der weltweit am häufigsten vorkommende Hautkrebs. Er tritt vor allem im Kopf- und Halsbereich auf, wird hauptsächlich durch zu hohe UV-Strahlung ausgelöst (auch erbliche Faktoren bei hellhäutigen Menschen können eine Rolle spielen) und verläuft in den seltensten Fällen tödlich, da er kaum metastasiert. 
  • Zum weißen Hautkrebs zählt auch das Plattenepithelkarzinom, der weltweit zweithäufigste Hauttumor. Er tritt vor allem im Gesicht auf, also der Sonne besonders ausgesetzten Bereichen des Körpers. Gefährdet sind vor allem Personen, die sich auch beruflich hoher UV-Strahlung aussetzen (Bauarbeiter, Straßenarbeiter oder Bauern).  

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